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Paläontologie: Riesige Schlange kroch vor 47 Millionen Jahren durch Indien

Der Fund von 27 versteinerten Wirbeln einer Schlange ist rekordverdächtig: Das Tier hatte vermutlich eine Länge von bis zu 15 Metern und wäre damit eine der größten Schlangen, die jemals auf der Erde gelebt haben.
Wirbel der fossilen Riesenschlange vor weißem Hintergrund
Das aus den versteinerten Wirbeln rekonstruierte Skelett lässt die Länge der ausgestorbenen Schlange Vasuki indicus erahnen.

Wer hier zu Lande in freier Wildbahn einer größeren Schlange begegnen will, muss schon ziemlich viel Glück haben. Länger als die Äskulapnatter mit ihren maximal zwei Metern wird keine in Europa heimische Art. Vor 47 Millionen Jahren jedoch gab es Reptilien, die im Vergleich dazu gigantisch anmuten. Davon zeugt der Fund eines Fossils im Westen Indiens, das aus dem mittleren Eozän (48 bis 38 Millionen Jahre vor heute) stammt.

Die Paläontologen Debajit Datta und Sunil Bajpai haben insgesamt 27 versteinerte Rumpfwirbel einer Schlange untersucht, die in einer Braunkohlemine im Bundesstaat Gujarat entdeckt worden waren. Die einstige Körperlänge des Exemplars schätzen die beiden Forscher vom Indian Institute of Technology Roorkee (Uttarakhand) auf 11 bis 15 Meter. Damit könnte das Tier sogar den Größenrekord der rund 13 Meter langen fossilen Schlange »Titanoboa« gebrochen haben, die 2009 in Kolumbien gefunden wurde.

Die bis zu elf Zentimeter breiten Wirbel der neu entdeckten Spezies stammen wohl von einem ausgewachsenen Tier, berichten Datta und Bajpai in der Fachzeitschrift »Scientific Reports«. Wegen der einzigartigen Anatomie gehen die Spezialisten von einer neuen, bis dato unbekannten Art aus, die sie auf den Namen Vasuki indicus tauften – nach der mythischen Schlange Vasuki, die sich um den Hals der hinduistischen Gottheit Shiva windet.

Die Spezies lässt sich in die ausgestorbene Schlangenfamilie der Madtsoiidae einordnen, die in der späten Kreidezeit weite Teile des damaligen Großkontinents Gondwana bewohnten. Vasuki indicus soll dabei einer großwüchsigen Linie entstammen, die sich ursprünglich wohl auf dem indischen Subkontinent entwickelt hatte und von dort aus vor rund 50 Millionen Jahren über das südliche Eurasien bis nach Nordafrika gelangte. Die warmen Temperaturen im mittleren Eozän – die Autoren gehen von Durchschnittswerten um die 28 Grad aus – ermöglichten den wechselwarmen Reptilien das Erreichen dieser ungewöhnlichen Größe.

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Auf Grund ihrer Körpergröße, so spekulieren Datta und Bajpai, konnte sich Vasuki indicus nur vergleichsweise langsam fortbewegen, und zwar hauptsächlich an Land, wie die Wirbelform nahelegt. Ihre Beute überfiel sie wohl aus dem Hinterhalt, ähnlich wie heutige Würgeschlangen. Als Homo sapiens auf der evolutionären Bildfläche erschien, war das Riesenreptil wahrscheinlich schon längst ausgestorben. Ein anderes Familienmitglied der Madtsoiidae dagegen, die sechs Meter messende »Wonambi« (benannt nach der mythischen Regenbogenschlange der Aborigines), überlebte in Australien bis ins späte Pleistozän und könnte dort auch dem Menschen begegnet sein.

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  • Quellen
Scientific Reports, 10.1038/s41598–024–58377–0, 2024

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